Chats wie Slack sind gut für kurze Abstimmungen, aber katastrophal für Aufgabendelegation. Das Problem: Schnelle Kommunikation ≠ Schnelle Umsetzung. Die Lösung: Task-Management für Aufgaben, Wiki für Wissen, Chats nur für Kommunikation. Plus klare Team-Policies.
Du kennst dieses Szenario: Du klappst morgens den Laptop auf, und da ist sie – die rote Zahl. 47 ungelesene Nachrichten in Slack. Oder 103. Oder mehr.
Du klickst dich durch die Threads, versuchst zu rekonstruieren, was gestern Abend passiert ist, antwortest auf drei "Kannst du mal kurz..."-Anfragen, und plötzlich ist Mittag. Und du fragst dich: Was wollte ich heute eigentlich machen?
Willkommen im Chat-Hamsterrad.
Das Chat-Hamsterrad entsteht, wenn Messaging-Tools wie Slack, Teams oder andere Chat-Programme zur primären Arbeitsfläche werden – nicht nur für Kommunikation, sondern auch für Aufgabendelegation, Projektkoordination und Wissensmanagement.
Die Folgen:
Chats wie Slack, Teams oder andere Messenger-Tools haben die Arbeitswelt revolutioniert. Sie haben die Kommunikation schneller, informeller und zugänglicher gemacht. Das ist ihre große Stärke.
Aber hier liegt auch das Problem: Schnelle Kommunikation bedeutet nicht automatisch schnelle Umsetzung.
In vielen Startups und Scale-ups – und zunehmend auch in etablierten Unternehmen – sind Chats zum primären Arbeitskanal geworden. Nicht nur für Kommunikation, sondern für:
Und genau da wird es problematisch.
Bevor wir tiefer ins Problem eintauchen: Chats sind nicht grundsätzlich schlecht. Im Gegenteil. Sie sind hervorragend für:
| Use Case | Warum Chats hier funktionieren | 
|---|---|
| Kurze Abstimmungen | Der schnelle, informelle Dienstweg ohne aufwändige E-Mail | 
| One-to-many Kommunikation | Über Channels alle auf einen Schlag erreichen | 
| Thread-Diskussionen | Feedback einholen, Stimmungsbilder abfragen | 
Das Problem entsteht, wenn Chats für deutlich mehr verwendet werden.
"Kannst du mal kurz..." – dieser Satz ist der Anfang vom Ende.
Die Idee dahinter ist verständlich: Ich möchte schnell an etwas kommen, das ich für meine Arbeit brauche. Aber sobald Chats dauerhaft zum Ort werden, wo Projekte bearbeitet und Aufgaben delegiert werden, wird es extrem stressig.
Warum? Weil jede Chat-Nachricht für dich Arbeit bedeutet.
Hinter diesen 100 ungelesenen Nachrichten stehen keine lustigen Memes. Dort stehen wichtige Anfragen, Aufgaben und Erwartungen. Und du musst jetzt:
Das ist anstrengend. Und zwar jeden Tag aufs Neue.
Eine Chat-Nachricht hat keinen inhärenten Kontext:
❌ Ist das eine Aufgabe?
❌ Wie wichtig ist sie?
❌ Wann ist sie fällig?
❌ Welche anderen Aufgaben hängen davon ab?
❌ Wer ist sonst noch beteiligt?
Im Chat musst du dir all das selbst zusammenpuzzeln. Aus fragmentierten Nachrichten. Die vielleicht schon drei Screens nach oben gescrollt sind.
Hier wird es richtig tückisch.
Chats erzeugen das Gefühl von Bewegung. Es passiert was. Nachrichten werden geschrieben. Threads füllen sich. Es fühlt sich produktiv an.
Aber Chat ist nicht die Umsetzung.
Praxis-Beispiel: Ich habe Projektgruppen erlebt, die Wochen damit verbracht haben, eine Landing Page zu erstellen. Eine eigentlich simple Aufgabe.
Das Problem: Das Team fühlte sich busy. Es wurde viel kommuniziert. Aber am Ende stand kaum etwas.
Es gibt noch einen Nebeneffekt, der oft unterm Radar läuft:
Die Personen, die online sind, schnell reagieren und hilfsbereit sind, werden mit "Kannst du mal kurz..."-Anfragen bombardiert.
Das verschiebt den Workload extrem asymmetrisch.
Diese Menschen:
Aber sie zahlen einen hohen Preis:
Ohne Fokusarbeit ist es schwer, sich wirklich weiterzuentwickeln und komplexere Probleme zu lösen.
Analysiere, wofür Chats in deinem Team verwendet werden:
Häufige Kategorien:
Fragen zur Analyse:
Mach dir ein klares Bild davon, was im Chat passiert.
Praktische Umsetzung:
Lass Teams einen Tag lang Strichliste führen:
Kategorie               | Anzahl
------------------------|--------
Aufgabe delegiert       | ||||
Ressource angefragt     | ||||
Wissen abgefragt        | ||||
Statusupdate            | ||||
Das muss nicht 100% akkurat sein. Es geht darum, Muster zu erkennen.
Je nachdem, was du gefunden hast:
| Problem | Lösung | 
|---|---|
| "Wo liegt XYZ?" | Wissensdatenbank aufbauen/aufräumen mit guter Suche (idealerweise AI-gestützt) | 
| Aufgaben im Chat | Task-Management-System etablieren, das SO intuitiv ist, dass es der neue Default wird | 
| Neue Teammitglieder finden nichts | Onboarding-Doku + zentrale Ressourcen-Übersicht | 
| Ständige Nachfragen | FAQ-Sektion im Wiki + Self-Service-Optionen | 
Der Schlüssel: Es muss einfacher sein, den richtigen Weg zu gehen als den falschen.
Das bedeutet konkret:
Task-Management-Tool:
Wissensdatenbank:
Dokumentation:
Manchmal reicht das nicht. Dann braucht es klare Regeln:
Beispiel-Policy: "Aufgabendelegation nicht im Chat"
Das bedeutet:
Wichtig: Das muss eine Team-weite oder Unternehmens-weite Policy sein. Nicht die Entscheidung einzelner Personen.
Ansonsten entsteht sozialer Druck, doch zu reagieren.
Nein, und das solltest du auch nicht. Chats sind wertvoll für kurze Abstimmungen. Das Ziel ist nicht, Chats abzuschaffen, sondern sie für das Richtige zu nutzen.
Die Transformation braucht 3-6 Monate, je nach Unternehmensgröße. Es ist ein kultureller Wandel, kein technisches Update.
Das ist ein klassisches Change-Management-Problem. Du brauchst:
Das Chat-Hamsterrad zu durchbrechen ist kein Sprint. Es ist ein kultureller Wandel.
Die Ergebnisse sind es wert:
Der erste Schritt: Verstehe, was bei euch im Chat passiert. Und fang an, Stück für Stück Alternativen zu etablieren.
Dein Team wird es dir danken.
Möchtest du tiefer in das Thema einsteigen? In meinem Podcast "Die digitale Tanzformation" behandle ich regelmäßig Themen rund um Digitalisierung, Prozessoptimierung und Software-Rollouts.