Digitale Transformation: Mehr als Akten in der Cloud
digitale Transformation Change Management Strategie Oct 23, 2025 8:01:38 PM Anna Krasikov 7 min read
Viele Unternehmen sehen ihre digitale Transformation bereits als abgeschlossen an – schließlich liegen ihre Papierakten inzwischen in OneDrive oder SharePoint. Doch echte Digitalisierung bedeutet mehr, als Papierordner einfach durch digitale Ablagen oder eine andere Cloud-Lösung zu ersetzen.
Der Abschied von Papierbergen, Aktenordnern und Faxgeräten ist zweifellos ein wichtiger Schritt. Laut einer Bitkom-Studie von 2025 nutzen bereits 72 % der deutschen Büros weniger Papier, und mehr als die Hälfte hat die Zahl der Aktenordner reduziert. Daten wandern also vermehrt in die Cloud – idealerweise in einer Compliance Cloud, die Sicherheit und gesetzliche Vorgaben berücksichtigt.
Aber ist damit die digitale Transformation wirklich beendet?
Die klare Antwort: Nein.
Warum reicht „Cloud statt Papier“ für eine digitale Transformation nicht aus?
Wenn analoge Prozesse eins zu eins digital nachgebaut werden, verändert sich am Kern der Arbeitsweise oft nichts. Beispiele dafür sehen wir überall im Büroalltag:
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Alte Strukturen in neuer Verpackung
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Neue Risiken durch unklare Zugriffsrechte oder verstreute Daten
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Fehlende Standards und Insellösungen
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Mitarbeitende, die trotz digitaler Ablage Dokumente weiter ausdrucken
Kurz gesagt: Statt echter Veränderung passiert nur ein „digitales Umpacken“.
Das Problem daran:
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Ineffizienz bleibt bestehen. Prozesse sind weiterhin umständlich, nur eben digital.
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Kosten steigen sogar. Lizenzen und Cloud-Speicher kommen zusätzlich zu den alten Arbeitsweisen.
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Fehler und Risiken verlagern sich. Statt Papierstapel im Archiv gibt es nun unübersichtliche Ordnerstrukturen und unklare Zugriffsrechte.
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Widerstände wachsen. Mitarbeitende erleben die Tools als zusätzlichen Aufwand, nicht als Unterstützung – und ziehen sich innerlich von der Transformation zurück.
Wirkliche Transformation bedeutet nicht, Probleme zu digitalisieren, sondern sie aktiv anzugehen: Prozesse neu denken, eine Datenstrategie entwickeln und Prozessautomatisierung gezielt einsetzen.
Das SAMR-Modell – Ursprung und Übertragbarkeit auf Unternehmen
Um zu verstehen, wie tiefgreifend Digitalisierung wirken kann, hilft ein Blick über den Tellerrand – genauer gesagt: in den Bildungsbereich.
Das SAMR-Modell wurde Anfang der 2000er Jahre von Dr. Ruben Puentedura, einem amerikanischen Bildungsexperten, entwickelt. Sein Ziel war es, Lehrkräften ein Werkzeug an die Hand zu geben, um den Einsatz digitaler Medien im Unterricht besser einzuordnen. Statt nur auf die technische Einführung von Computern oder Tablets zu schauen, sollte das Modell sichtbar machen, wie stark sich Lern- und Lehrprozesse tatsächlich durch digitale Möglichkeiten verändern.
Die vier Stufen des Modells (Substitution, Augmentation, Modification, Redefinition) zeigen eine Spannbreite: vom reinen Ersatz analoger Mittel (z. B. ein E-Book statt eines gedruckten Buchs) bis hin zur Neudefinition von Lernprozessen, die in der analogen Welt gar nicht möglich wären (z. B. weltweite Projektarbeit von Schülergruppen in Echtzeit).
Warum funktioniert eine Übertragung auf die Wirtschaft? Weil die Mechanik die gleiche ist: Unternehmen stehen wie Schulen vor der Herausforderung, nicht nur analoge Abläufe „ins Digitale zu kopieren“, sondern die Chancen digitaler Technologien wirklich auszuschöpfen. Prozesse, Zusammenarbeit und Wertschöpfung lassen sich ebenso auf den vier Stufen betrachten wie Unterricht:
1. Substitution (Ersetzung)
Analoge Materialien oder Prozesse werden einfach digital abgebildet – ohne echten Mehrwert.
Beispiel: OneDrive statt Papierakte, PDF statt gedrucktes Dokument.
2. Augmentation (Erweiterung)
Die digitalen Lösungen bringen Verbesserungen mit sich, ohne die Grundlogik zu verändern.
Beispiel: Volltextsuche in Dokumenten, einfaches Teilen per Link, klare Zugriffsrechte.
3. Modification (Änderung)
Prozesse werden grundlegend neu gestaltet.
Beispiel: Gemeinsame Bearbeitung in Echtzeit, automatisierte Workflows für Genehmigungen, automatische Erinnerungen.
4. Redefinition (Neudefinition)
Prozesse entstehen, die analog nicht denkbar waren.
Beispiel: Globale Zusammenarbeit in Echtzeit-Dashboards, KI-gestützte Analysen, komplexe Automatisierungen.
Wo stehen Unternehmen mit ihrer digitalen Transformation wirklich?
Viele Unternehmen sind heute noch auf Stufe 1 – Ersetzung stehen geblieben.
Das bedeutet: Dokumente liegen zwar digital, werden aber weiterhin ausgedruckt, handschriftlich kommentiert und per E-Mail verschickt. Zusammenarbeit findet primär im Konferenzraum statt, nicht in kollaborativen Tools.
Die höheren Stufen werden oft nur theoretisch mitgekauft, praktisch aber nicht genutzt.
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Beispiel Erweiterung: KI-Suche in Confluence, die Wissen wirklich auffindbar macht.
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Beispiel Änderung: Kollaboration in Confluence-Seiten statt Ping-Pong per E-Mail.
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Beispiel Neudefinition: Automatisierte Abläufe, die ganze Prozessketten abbilden.
Warum bleibt es so oft beim theoretischen Potenzial?
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Schlechte Einführung: Tools werden technisch ausgerollt, aber ohne Schulung, begleitende Kommunikation oder klare Nutzungsregeln. Mitarbeitende kennen die Funktionen schlicht nicht.
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Gewohnheiten: Der Wandel hat im Kopf noch nicht stattgefunden. Viele greifen intuitiv auf die alte Arbeitsweise zurück, weil sie vertrauter und „schneller“ erscheint.
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Kulturthema: Kollaboration, Transparenz oder Automatisierung sind nicht nur Technikfragen, sondern greifen in Rollen, Verantwortlichkeiten und Führung ein. Wenn diese Veränderungen nicht aktiv gestaltet werden, bleibt es beim Minimalnutzen.
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Komplexität: Je mehr Systeme und Insellösungen existieren, desto schwieriger ist es, die neuen Möglichkeiten wirklich in den Alltag zu integrieren.
Am Ende ersetzt die Cloud dann nur den Aktenschrank – ohne dass Prozesse, Zusammenarbeit oder Verantwortlichkeiten wirklich transformiert werden.
Was echte digitale Transformation ausmacht
Echte digitale Transformation bedeutet mehr, als bestehende Prozesse einfach nur digital abzubilden. Entscheidend ist, die Möglichkeiten der Digitalisierung bewusst zu nutzen, um Arbeit grundlegend anders – und besser – zu gestalten.
Das SAMR-Modell macht genau diesen Unterschied sichtbar:
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Ersetzung bleibt oft an der Oberfläche: Papier wird durch PDF ersetzt, das Regal durch OneDrive.
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Erweiterung bringt erste Vorteile wie Volltextsuche oder klare Zugriffsrechte – doch die Arbeitsweise ist im Kern noch die gleiche.
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Änderung eröffnet neue Wege: Prozesse werden aktiv neugestaltet, Zusammenarbeit findet in Echtzeit statt, Genehmigungen laufen automatisiert.
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Neudefinition schließlich schafft völlig neue Formen der Wertschöpfung, die analog nie möglich gewesen wären – etwa KI-gestützte Datenanalysen, automatisierte End-to-End-Prozessketten oder globale Kollaboration in Echtzeit.
Damit Unternehmen diese höheren Stufen auch tatsächlich erreichen, braucht es mehr als Technologie:
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Prozesse müssen kritisch hinterfragt und neu gedacht werden.
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Rollen und Verantwortlichkeiten müssen klar definiert sein.
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Automatisierungen sollten konsequent eingeführt werden, um Mitarbeitende von Routinen zu entlasten.
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Daten müssen intelligent verknüpft werden, damit aus Information auch Wissen entsteht.
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Vor allem aber müssen Mitarbeitende aktiv mitgenommen und befähigt werden – nur so wird aus digitalen Tools ein echter Mehrwert im Alltag.
Kurz gesagt: Digitale Transformation heißt nicht, die Akte in die Cloud zu legen. Sie heißt, Zusammenarbeit, Prozesse und Wertschöpfung neu zu gestalten – auf den höheren Stufen des SAMR-Modells.
Fazit: Schritt für Schritt weitergehen
Die Reise endet nicht beim Cloud-Ordner. Unternehmen, die digitale Transformation ernst nehmen, nutzen Tools nicht nur als Ersatz, sondern als Motor für neue Formen der Zusammenarbeit und Prozessgestaltung.
Eine Frage, die sich jedes Unternehmen stellen sollte:
Auf welcher Stufe des SAMR-Modells befinden wir uns – und wie kommen wir zur nächsten?
Aktenordner in die Cloud verschoben? Gut. Wir helfen euch, den nächsten Schritt eurer digitalen Transformation zu gehen – egal, ob ihr Tools wie Jira, Confluence oder HubSpot bereits nutzt oder gerade einführen möchtet.
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